
Augenzeugenbericht: Nico van der Weele
Nico van der Weele, der Sohn eines Bauern aus Elkerzee auf Schouwen-Duiveland, war erst neun Jahre alt, als der Krieg begann. Er sah, wie niederländische Soldaten deutsche Bomber beschossen und sogar ein Flugzeug, das in der Nähe von Noordwelle abstürzte. Kurz darauf übernahmen die Deutschen die Kontrolle über Schouwen. „Ein deutscher Wind wehte,“ erzählt Nico. Sogar der Strand wurde zur verbotenen Zone, und deutsche Soldaten jagten ihn von dort fort.
Anfang 1944 änderte sich alles für Nicos Familie. Die Alliierten beschlossen, Schouwen-Duiveland unter Wasser zu setzen, um die deutschen Besatzer zu behindern. Die Einwohner mussten evakuiert werden.
Nicos Vater weigerte sich, in die offiziellen Evakuierungsorte Dordrecht oder Rotterdam zu gehen, aus Angst, dort an Hunger zu sterben. Durch Bekannte fanden sie eine vorübergehende Unterkunft in Oudelande auf Zuid-Beveland. Am 29. Februar 1944 – einem Schaltjahr-Tag – kam die Familie dort an. „Wir kamen als Fremde, aber alles war vorbereitet: Der Ofen brannte und es lag Brot auf dem Tisch,“ erinnert sich Nico.
Mitten im Kampf
Sie verbrachten den Sommer 1944 in Oudelande. Doch der Krieg rückte immer näher. Die Deutschen beschlagnahmten den Bauernhof, in dem die Familie untergebracht war, und sie mussten erneut fliehen.
Diesmal fanden sie ein kleines Häuschen in der Polderlandschaft bei Baarland. Dort wurden sie am 26. Oktober von ohrenbetäubendem Lärm geweckt. Britische Truppen landeten bei Baarland, und es folgte ein höllischer Kampf.
Nico sah, wie Pferde auf einer nahegelegenen Weide getroffen wurden und an Ort und Stelle starben. Die Familie floh zu einem Bauernhof in der Nähe, doch dort hatten sich bereits deutsche Soldaten verschanzt.
Britische Vorposten erreichten den Hof, woraufhin ein heftiges Feuergefecht ausbrach und Granaten geworfen wurden. Die Familie versteckte sich in der Scheune, voller Angst. Nico: „Es war so schlimm, dass wir voneinander Abschied nahmen. Es fühlte sich an, als wäre die Hölle auf Erden ausgebrochen.“


Freiheit und Überleben
Die Scheune wurde vollständig von Kugeln durchlöchert. Die Tiere starben, und plötzlich herrschte eine bedrückende Stille. Selbst Nicos Katze überlebte nicht. Gegen Abend betraten britische Soldaten die Scheune. Die Befreiung war da, doch es blieb keine Zeit zum Jubeln. Ein Sergeant, der ein wenig Niederländisch sprach, warnte sie: „Hier gleich deutsche Bombe.“ Die Familie musste erneut in die beschädigte Scheune zurückkehren, wo sie noch tagelang Schutz suchte.
Erst am Sonntag war die Familie wirklich frei. Nico: „Wir standen unter Schock, aber die Freude überwog. Wir lebten noch. Überall sahen wir tote Soldaten, aber wir lebten noch.“ Seine Geschichte zeugt von der Verzweiflung und Widerstandskraft gewöhnlicher Menschen inmitten des Kriegsgeschehens – und vom hohen Preis, der für die Freiheit gezahlt wurde.